Erst hab ich mich verfahren und dann verlaufen. Schuld war erstens eine Umleitung, zweitens der Regen; keinesfalls mangelnder Orientierungssinn. Andere haben sich später auf die angeblich schlechte Anfahrtsskizze herauszureden versucht. Doch schon von Berufswegen lag mir der Weg der kritischen Selbstreflexion näher und so entschied ich mich, etwaige Schuld einer höheren Gewalt zuzusprechen. Wie bin ich jetzt auf Gott gekommen? Na ja, ist ja auch egal. Jedenfalls war es das erste August-wochenende ohne Sonne und Hitze. Ich nahm das jedoch nicht als schlechtes Omen, denn feucht war die Stimmung bei uns schon immer und meistens auch fröhlich. Dieser Eindruck verstärkte sich umso mehr, als ich beim Erklimmen der Hütte das unübersehbar platzierte Bierfass erblickte, natürlich bereits an-gezapft. Schon wurde ich mit „Dere Piedschie“ begrüßt, was augenblicklich eine gewisse Sentimentalität aufkommen ließ. Denn das hatte die letzten Jahre über niemand zu mir gesagt. Das war wie ein geheimes Losungswort, das mir sofort Erinnerungsfetzen der einst gemeinsamen Zeit durch das Hirn flattern ließ. Als ich dann umgehend mit Bier und Fleisch versorgt wurde und Herbert mir versicherte, dass er noch Fußball spielt; als ich sah, dass Wolfgang Achatz noch immer raucht; als ich hörte, dass Herr Stober immer noch nach Uschi fragt, spätestens da wusste ich, die Welt ist doch noch in Ordnung: alles wie früher. Wirklich alles? Naja, zugegeben, die letzten Jahre sind an uns allen nicht spurlos vorübergegangen. Die ersten Ehen wurden geschlossen, Nachwuchs hat sich eingestellt, die Mehrzahl sitzt beruflich fest im Sattel – die meisten anscheinend bei BMW – von den einen oder anderen äußerlichen Veränderungen ganz zu schweigen, die der Film über die Abi-Fahrt ohnehin schonungslos zu Tage beförderte. Doch vor allem: Die wilden Jahre scheinen vorüber zu sein. Lediglich ein harter Kern, der sich anscheinend hartnäckig wehrt, endgültig erwachsen zu werden, hielt bis vier Uhr morgens stand. Natürlich war ich dabei… Doch bereut habe ich es nicht, konnte man doch viel über akkubetriebene, mobile Handscheinwerfer aus amerikanischen Videofilmen und Interessantes über Ferienjobs im Himalaja erfahren. Doch wurden bei weitem nicht alle Fragen geklärt: Haben wir nun ein- oder zweihundert Schnitzel vernichtet? Da wurden am Sonntag längst vergessen geglaubte Rechenfähigkeiten reaktiviert – Herr Weber wäre stolz gewesen, betriebswirtschaftlicher Sachverstand und bayerische Menschenkenntnis in die Waagschale geworfen; doch vergebens. Und so frag ich mich bis heute in manch ruhiger Minute: Haben wir jetzt ein- oder zweihundert Schnitzel vernichtet? Bis ich die Antwort auf diese bedeutende Frage gefunden habe, freue ich mich schon auf unser Zehnjähriges. Also Freuuuuuunde, bis 2005.
Aber bitte: Zählt´s vorher die Schnitzel!
Euer PG.